Markus Gulfer ist IT-Unternehmer und Digitalisierungs- und Blockchain Enthusiast. Er konnte tausende Erfahrungen zu neuen Internet Technologien sammlen und die eine oder andere entwickeln. Dabei ist er bereits vor Jahren mit dem Thema Blockchain in Kontakt gekommen.
Anlehnend an das angehende Event Trends, Tech & Tapas war MIND im Gespräch mit Markus Gufler.
Was ist Blockchain einfach erklärt und was muss man über Blockchain wissen?
Blockchain ist nicht nur Investment und Spekulation mit virtuellen Währungen, sondern ein Anwendungsgebiet von neuen, modernen kryptographischen Methoden. In diesem Bereich wird derzeit sehr viel geforscht und entwickelt.
Weniger abstrakt gesagt: Die Computerwelt hat sich von anfangs alleinstehenden Geräten, zu einem großen Netzwerk entwickelt über das Daten ausgetauscht werden. Diese Daten wurden zunehmend in zentralen Datenbanken gespeichert. Große globale Player haben sich diese Daten zu eigen und zu ihrem grundlegenden Geschäftsmodel gemacht. Wer die Daten besitzt und allein verwaltet hat große Macht, Kontrolle und auch Wert. Das hat zwar viele neue Anwendungen ermöglicht, aber auch zu großen Abhängigkeiten geführt und zu einem zunehmenden Gefühl des Anwenders/Bürgers die Kontrolle zu verlieren.
Blockchain möchte jeden Benutzer ohne spezielle Erlaubnis in einem globalen Netzwerk akzeptieren, respektvoll behandeln und miteinander verbinden, damit er mit seiner kryptografisch geschützten digitalen Identität, seiner Reputation, seinem Geldkonto, seinen Objekten, Mitgliedschaften und Beteiligungen mit der Gesellschaft frei, souverän und sicher interagieren kann.
Wie bist du zu Blockchain gekommen?
Das erste Mal hatte ich damit ungefähr 2002 zu tun. In meinem Unternehmen betreuen wir seit der Jahrtausendwende Kunden mit Internet-Diensten. Unter anderem auch E-Mail. Zu der der Zeit hatte ich begonnen Spam-Filter zu entwickeln. Ein gewisser Adam Back – heute CEO von Blockstream und oft genannter Kandidat der echte Satoshi Nakamoto zu sein – machte damals den Vorschlag, dass der empfangende Mailserver dem sendenden zuerst eine Rechenaufgabe aufgibt. Die Nachricht wird nur zusammen mit der berechneten Lösung akzeptiert. Das Ziel war Bulk-Versender von Spam-Kampagnen spürbar auszubremsen. Das Problem damals war, dass noch keine Multi-Core Prozessoren im Einsatz waren. Die Systemadministratoren hatten also keine große Freude mit dieser neuen „Proof-of-Work“ Technologie, weil sie alle Server unnötig und deutlich ausgebremst haben. Das war auch der Grund weshalb ich ab 2009 als Bitcoin entstanden ist, es nicht weiter beachtet habe.
Das nächste Mal wieder in Kontakt mit Blockchain bin ich 2016/2017 gekommen, als der stetig wachsende Blockchain-Bereich durch eben diese Proof-of-Work Technik zu einem ständig höheren Energieverbrauch geführt hat. Eigentlich ein absolutes Unding in Zeiten, wo Klimakrise und Energieeffizienz schon lange ein drückendes Thema hätten sein sollen. Ich habe also nach besseren Alternativen gesucht und den Proof-of-Stake Ansatz gefunden, den ich seitdem sehr aufmerksam verfolge.
Ethereum, die derzeit zweitgrößte Blockchain will in Zukunft von Proof-of-Work auf -Stake umstellen. Cardano, das drittgrößte Blockchain-Projekt hat grundsätzlich auf Proof-of-Stake gesetzt und zeigt schon heute, dass ein dezentrales Netzwerk, basierend auf der Blockchain Technologie, umweltverträglich und sicher betrieben werden kann. Ich betreibe einen der Knoten mit einem Mini-Computer, bei 5 Watt Strombedarf und passiver Luftkühlung.
Welche Nachteile hat das aktuelle System gegenüber Blockchain?
Ohne Blockchain und Kryptografie, kann meiner Meinung nach kein echter Evolutionsschritt hin zu einer echten Digitalisierung erfolgen.
Das was wir bisher als Digitalisierung erlebt haben, war entweder ein Papierformular auf dem Bildschirm oder die Implementation relativ einfacher Prozesse, wie zum Beispiel das Einkaufen in Online-Shops. Erst mit neuen kryptografischen Ansätzen, die standardisiert und unabhängig von globalen geschlossenen Plattformen zur Verfügung stehen, kann man digital Abläufe grundsätzlich neu denken und gestalten.
Wir sehen derzeit Dinge wie ständige Privacy-Erklärungen und Cookie-Banner, die eigentlich sehr wenig Sinn machen, so gut wie keine Übersicht bieten und schon gar keine effektive Kontrolle der eigenen Daten erlauben. Bürokratismus pur. Wenn man dann plötzlich effiziente digitale Unterstützung bräuchte – z.B. in einer Pandemie - um Testungen und Impfzeugnisse effizient, sicher und Privacy-konform über die Bühne zu bringen, dann merkt man, dass hier etwas fehlt. Man mag nur daran denken, wie oft jeder in den letzten Monaten die immer gleichen Formulare mit persönlichen Daten handschriftlich ausgefüllt hat um einen Covid-Test zu bekommen. Armes Personal! Inneffizientes System!
Blockchain will hier eine Lösung anbieten, ohne es totalitär kontrolliert und erzwungen wie in China zu machen, aber auch nicht indem man diese Macht und Möglichkeit den großen globalen IT-Playern überlässt. Gegenüber Dritten sollte man niemals mehr persönliche Daten preisgeben müssen als notwendig. Und wenn dann soll es schnell, einfach, präzise und sicher sein. Handgeschriebene Felder für Email-Adressen und ständige Eigenerklärungen die sporadisch stichprobengeprüft werden sind das genaue Gegenteil davon.
Zero-Knowledge-Proofs sind ein interessanter Ansatz in diesem Bereich. Wie kann man etwas beweisen, ohne es selbst herzeigen zu müssen? Bei einer Kreditkartenzahlung zeigt man derzeit immer alles was jemand braucht, um damit auch beliebige weitere Zahlungen zu machen. An jeder Hotelrezeption wird eine Kopie des Personalausweises samt aller darauf enthaltenen Daten gemacht.
Zero-Knowledge-Proofs kann man sich wie eine Höhle in U-Form vorstellen, mit Eingang und Ausgang sowie einem verschlossenen Tor in der Mitte. Ich kann jemanden beweisen, dass ich Besitzer des Schlüssels bin, indem ich auf einer Seite hinein gehe und auf der anderen Seite herauskomme, ohne zu zeigen mit welchem Schlüssel ich das Tor geöffnet habe.
Wie wird das Interesse an eine neue Technologie in unserer Gesellschaft wahrgenommen?
Sehr unterschiedlich und auch kontrovers. Da das Thema digital und komplex ist kann sich ein Großteil der Bevölkerung praktisch nur wenig darunter vorstellen. Es ist also naheliegend, dass viele neutral bis skeptisch eingestellt sind. Bei denen die sich damit beschäftigt haben, gibt es Befürworter und Gegner jeglichen Grades. Viele halten es für mehr oder weniger nützlich. Andere sind echte Heißsporne sowohl was abgehobene Erwartungshaltung oder auch absolut konservatives Negieren der möglichen Anwendungsfelder betrifft.
Was war der Auslöser für den Boom von Kryptowährungen?
Kryptowährungen sind (leider) ein großes Spielfeld für Spekulanten geworden. Der eigentliche Ansatz es besser als die sogenannten „Banksters“ zu machen, ist damit stark verwischt worden. Man sieht leider ständig, dass – sobald jemand die Möglichkeit sieht einen tollen Profit zu machen - er diese Chance auch ergreift. Ethik und sogar gesunder Hausverstand wird dann sehr schnell ausgeblendet. Oft endet das in diesem noch weitgehend unregulierten Bereich auch mit erheblichen Verlusten.
Andererseits muss man aber auch sagen, dass die Reaktion und Antwort des bestehenden Geldsystems auf die Krisen von 2008 und 2020 alles andere als berauschend und vertrauenserweckend sind. Die Europäische und noch viel mehr die US-Amerikanische Zentralbank haben in den letzten 2 Jahren unglaubliche hohe Geldmengen gedruckt, um das eigene System noch etwas länger vor einem kolossalen Kollaps zu retten.
Allein die USA haben seit dem Start der Corona-Krise den Bestand des US-Dollars um 25% erhöht, von 15 auf 20 Trillionen (M2 Kreislauf). Das führt zu erheblicher Inflation und Geldentwertung. Wenn man bedenkt, dass viele Nationen dem US-Dollar als Leitwährung verbunden sind, dann kommt dieser einer unglaublichen Verschiebung von Geldwerten gleich. Im Prinzip ist es ein kolossaler „Raubzug ohne Waffengewalt“ der unter anderem dazu geführt hat das El-Salvador und bald wohl auch weitere Länder die alleinige Bindung zum US-Dollar aufgeben und auch Bitcoin als Währung akzeptieren. Die meisten Kryptowährungen sind in ihrer Menge absolut begrenzt.
All das bleibt dem Sparer und seit 2020 zunehmend auch großen institutionellen Investoren nicht verborgen. Sie suchen die Möglichkeit ihre eigenen Werte zunehmend auch in Kryptowährungen zu diversifizieren und abzusichern. Es geht also nicht nur um spekulatives „schnell reich werden“ sondern immer mehr auch um den Versuch der Absicherung.
Glaubst du, dass der Euro oder Dollar irgendwann einmal von Bitcoin gedeckt wird?
Euro und Dollar sowie die dahinterstehenden Regierungen werden wirklich alles unternehmen, um Einfluss und Kontrolle über ihr eigenes System zu behalten. Es geht auch um die Substanz für regulatorische, legislative und exekutive Machtausübung. Und jeder der versteht welch unglaublich exklusives und wertvolles Privileg es war in den letzten 70 Jahren in der Euro/Dollar-Zone leben zu dürfen wird sich auch eingestehen müssen, dass es durchaus Vorteile hat.
Allerdings sieht man in den letzten Jahren immer mehr, dass Leben auf Pump, die eigentlich unrealistisches (Wahl-)Versprechen der Politik, und das entsprechend anspruchsvolle Verhalten der Wähler in eine Situation geführt hat, die ziemlich sicher nicht mehr lange tragbar ist. Das System ächzt und leidet unter der Trägheit, die in der angenehmen Wohlstandssituation entstanden ist, und einige durchaus grundlegende Änderungen wie es sie in der Geschichte immer gegeben hat sind eigentlich schon länger überfällig.
Vor dem Hintergrund was unsere Generation allein in den letzten 50 Jahren bereits an Disruption erlebt hat (Internet, Medizin, Raumfahrt, Gesellschaftsformen usw…) ist es also angebracht davon auszugehen, dass auch in den kommenden Jahrzehnten noch sehr viel derzeit Unvorstellbares geschehen wird.
Ich halte es aber für wichtig, dass diese klassischen und neuen Systeme zusammenarbeiten, und nicht gegeneinander. Das bedeutet, dass man sich akzeptiert und respektiert anstatt sich gegenseitig die Legitimität abzusprechen. Zum Beispiel sollte eine regulatorische Zusammenarbeit erfolgen, um illegale Tätigkeiten mit forensischen Methoden nachweißbar zu machen. Gleichzeitig sollte es zu keinem Beamtenstaat kommen, dessen digitaler Euro und Identität der absolut einzige Weg sind um in seinem Leben überhaupt noch irgendetwas bewegen oder tun zu dürfen.
Natürlich muss all das aber vor allem auch mit dem notwendigen Respekt vor den natürlichen Ressourcen erfolgen. Nach Jahrzehnten nicht nachhaltigem Rohstoff-Raubbaus, der Anhäufung gigantischer Schuldenberge und dem Problem eines praktisch unmöglich aufrecht zu erhaltenden Rentensystems, sollte gerade Blockchain als neue disruptive Technologie in diesem Bereich eine Lösung bieten, anstatt zusätzlicher Faktor zu werden. Das betrifft speziell den unglaublichen Energiebedarf der Proof-of-Work betriebenen Projekte aber auch einige grundlegende und inzwischen bewährte Regulatorien die Missbrauch und Übervorteilung verhindern.
Wie wird die Blockchain in Zukunft unser Leben verändern?
Im Idealfall – d.h. wenn sie von der Öffentlichkeit, den Regierungen und den Bürgern als Chance erkannt und aufgenommen wird – dann erlaubt sie Gesellschaftsformen und Abläufe, die heute noch nicht praktisch machbar sind. Sie gibt den Menschen Vertrauen zurück, indem sie wieder deutlich souveräner agieren können. Dadurch steigen auch das Selbstvertrauen und die Motivation. Die immer deutlich spürbarere Tendenz in eine notorische Passivität abzugleiten könnte hoffentlich umgekehrt werden. Das ist in Zeiten in denen – mangels eigener, autonomer Möglichkeiten – immer öfter mit dem Finger auf die Fehler anderer gezeigt wird, ein wichtiger Aspekt. Ich denke, dass Blockchain nicht der alleinige Grund aber eines der Mittel ist, um unsere globale Gesellschaft einen wichtigen Evolutionsschritt weiterzubringen. Neue Formen der Zusammenarbeit, der Unternehmensführung und auch -beteiligung sind möglich.
Warum verharren wir immer noch in alten Schemata mit geringem Risiko?
Der Großteil der Menschen mag und liebt die sichere Komfortzone. Dort hat man sich auch schon um genug tägliche Probleme und Ablenkungen zu kümmern.
Trotzdem gibt es aber immer ein paar Verrückte, die nach neuen Wegen und Möglichkeiten suchen: Rad, Schrift, Mathematik, Elektrizität, Impfstoffe, Dampfmaschinen, Flugzeuge, Elektromobilität, Blockchain… hatten immer schon mit zunächst breiter Skepsis zu kämpfen, bevor das Licht aufgegangen ist. Und ich glaube, dass es nicht langjährige Erfahrung, sondern junger revolutionärer Innovationsgeist ist, der zu diesen Innovationsschritten führt. Die Ablehnung kommt meistens von alteingesessenen und schon deutlich in die Konservativität verfallene Zeitgenossen. Aus dem Grund dauern Innovationen, die den gesellschaftlichen Konsens brauchen, auch Generationen und nicht nur ein paar Jahre, bis sie reif sind.
Werden Banken durch die Blockchain Technologie ersetzt?
Ich denke, dass es Banken weiterhin geben wird, sich ihr Tätigkeitsfeld aber deutlich ändern wird. Das ist seit einigen Jahren schon spür- und sichtbar. Die Anzahl der Bankschalter ist dank zeit- und kostensparendem Online-Banking seit Jahren rückläufig.
Überweisungen, Kredite, traditionelle wie auch grundlegende neue Finanz-Produkte können mit, aber auch ohne Hilfe eines professionellen Dienstleisters abgewickelt werden. Gleich wie ich in fast allen Lebensbereichen etwas selbst erledigen kann oder einen Profi damit beauftrage und dafür bezahle.
Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass sehr viele Bürger die Zertifikate und Schlüssel, welche sie besitzen werden, auch einem professionellen Verwalter zur sicheren Verwahrung übergeben wollen. Praktisch das was sie mit ihrem Bankkonto bereits heute machen.
Die Bank kann also ein gewohnt verlässlicher Dienstleister für den Umgang mit Finanz-Produkten bzw. in Zukunft auch digitalisierten Vorgängen aller Art werden. Beratung aber auch die fachgerechte Implementierung von Smart-Contracts – eine digitale Form von klar definierten und automatisiert ausgeführten Verträgen – kann zum Repertoire einer Bank werden. Dasselbe gilt für Notare und Wirtschaftsberater. Keiner in diesen Sparten sollte zusehen, wie er zu Kodak oder Nokia wird.
Markus Gufler (43)
IT-Unternehmer
https://www.linkedin.com/in/markus-gufler-2698899b/
Markus Gufler wird in unserer nächsten Trends, Tech & Tapas Runde einen Impulsvortrag halten.
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